Rotwein aus Österreich

Lange Zeit galt Österreich als reines Weißweinland. Aber das hat sich geändert. Zwar gehören nach wie vor 67 Prozent der bepflanzten Weinfläche des Landes den weißen Rebsorten. Doch der Rotweinanbau boomt in der Alpenrepublik. Einem kleinen Weinland ist es gelungen, sich mit authentischen und gleichzeitig raffinierten Rotweinkreationen einen Platz an der Seite der Grandseigneurs dieses Metiers zu erobern. Laut österreichischer Weingartengrunderhebung nehmen rote Rebsorten in Österreich inzwischen 33 Prozent der gesamten ertragsfähigen Rebfläche von rund 46.500 Hektar ein. Damit hat sich der Rotweinanteil in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt. Und das mit gutem Grund: Insbesondere im Burgenland, aber auch in Teilen Niederösterreichs, in Wien und in der Weststeiermark entstehen dichte, frucht- und tanninbetonte Rotweine mit hoher Lagerungsfähigkeit, die weltweit für Furore sorgen. Dies lässt sich zum einen mit den optimalen klimatischen Bedingungen und einer perfekten Vinifizierung der jungen Winzerszene erklären. Die Stärke der österreichischen Rotweine liegt aber vor allem darin, dass die Winzer auf heimische Rebsorten setzen. Etwa auf den urösterreichischen Blaufränkisch und die neuere Züchtung Zweigelt. Solo oder als Cuvées besitzen diese Rebsorten ein so großes Potenzial, dass internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Pinot Noir in Österreich zwar durchaus erfolgreich angebaut werden, den heimischen Trauben aber nie wirklich Konkurrenz machen konnten. Geht man nach der produzierten Menge, wird Österreich den großen europäischen Rotweinnationen nicht den Rang ablaufen können. Qualitativ aber sind die fruchtbetonten, von eleganten Tanninen strukturierten Rotweine Österreichs ihren mediterranen Pendants absolut ebenbürtig. Wissen, was man hat: Heimische Rebsorten als Erfolgsgarant. Die autochthonen, also heimischen Rebsorten sind die Trumpfkarten der österreichischen Rotweinproduzenten. Neben den Sorten Zweigelt und Blaufränkisch werden Spezialitäten wie St. Laurent und Blauburgunder immer beliebter beim Konsumenten und bei den Winzerinnen und Winzern. Typische Österreicher wie Blauer Portugieser und Blauburger ergänzen die Sortenpalette. Durch ihre große Vielfalt bieten die österreichischen Rebsorten den Weinfreunden viel Raum, persönliche Vorlieben zu entwickeln.

Eine tragende Rolle in der Erfolgsgeschichte des österreichischen Rotweins spielt der Zweigelt, der sich in fast allen Weinbaugebieten wohl fühlt. Vor knapp hundert Jahren verwendete Fritz Zweigelt Blaufränkisch und St. Laurent, um die Neuzüchtung zu kreieren. Seitdem hat sie ihren Siegeszug in der Alpenrepublik angetreten und ist inzwischen die dominante Rotweinsorte. Allein von 1999 bis 2009 vergrößerte sich die Anbaufläche um knapp 50 Prozent auf aktuell rund 6.300 Hektar. Heute gehören dem Zweigelt 42 Prozent der österreichischen Rotweinfläche. Die Sorte bringt fruchtige Rotweine mit weichen Tanninen hervor, die bei einem Ausbau im Barrique ein hohes Lagerungspotenzial aufweisen. Charakteristisch für den Zweigelt sind seine hellrote Farbe mit violetten Reflexen, eine frische, zurückhaltende Säure und ein Aroma, das an Weichselkirschen erinnert. Er wird solo oder im Verschnitt mit anderen heimischen oder auch internationalen Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah ausgebaut.

Die zweithäufigste Rotweinsorte Österreichs ist der Blaufränkisch. Aufgrund ähnlicher Aromen wird er auch der „Pinot Noir des Ostens“ genannt. Die urösterreichische Sorte gilt als die hochwertigste der heimischen Rebsorten. Aktuell belegt sie in Österreich 19 Prozent der Rotweinfläche. Wer den Blaufränkisch schätzt und sucht, kommt immer wieder aufs Burgenland. Hier wachsen 90 Prozent der Blaufränkisch-Reben. Die dunkle Farbe, ein fruchtiges Walbeeren- und Kirscharoma, kräftige Säure und ein markantes Tannin, das im Alter weich und samtig wird, machen den Blaufränkisch aus. Er wird solo oder im Verschnitt ausgebaut. 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben auch internationale Rotweinsorten in Österreich zunehmend an Bedeutung gewonnen. Denn das in Teilen heiße Bergklima der dortigen Rotweinregionen ist nicht nur ideal für die autochthonen Trauben, sondern lässt auch im Alpenland nicht heimische Sorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon, Syrah und Pinot Noir bestens gedeihen. So wuchs die Merlot-Anbaufläche in Österreich zwischen 1999 und 2015 nahezu um das Sechsfache. Der Anbau von Cabernet Sauvignon stieg um rund 90 Prozent, die Fläche, auf der Pinot Noir angebaut wird, um 60 Prozent. 

Trotz dieser beeindruckenden Zahlen nehmen die internationalen Rebsorten in der österreichischen Weinproduktion nach wie vor eine Statistenrolle ein. Der Rotweinanteil des Merlot beträgt heute gerade einmal fünf, der Anteil des Cabernet Sauvignon vier Prozent. Dennoch sind die internationalen Rebsorten wichtig für die österreichischen Rotwein-Winzer. Denn mit ihrer Unterstützung und den Hauptdarstellern Zweigelt und Blaufränkisch komponieren sie facetten- und körperreiche Cuvées, die international preisgekrönt sind. 

Die Wiege des österreichischen Rotweins liegt im Burgenland. Hier begannen die Winzerinnen und Winzer Mitte der 1980er Jahre damit, durch sorgfältiges Arbeiten in den Weinbergen, die Einführung des Barriques und strenge Ertragsbegrenzungen aus den einheimischen Rebsorten raffinierte Rotweinkreationen zu erschaffen. Dabei spielten ihnen die klimatischen Bedingungen im zweitgrößten Weinanbaugebiet Österreichs in die Hände: Wie in Niederösterreich treffen im Burgenland das kontinentale Waldviertler und das heiße pannonische Klima aufeinander. Zugleich besitzt das Burgenland mit der Wasserfläche des Neusiedler Sees einen Puffer zwischen beiden Klimazonen. Bei kühlem Wetter spendet der See Wärme, bei sommerlicher Hitze mildert er die Temperatur. Ideale Voraussetzungen für Rotweinsorten, die aus der Wärme Kraft schöpfen. Noch heute kommen aus dem Burgenland die körperreichsten und besten Rotweine Österreichs, im Osten des Neusiedler Sees vor allem aus Zweigelt produziert, im Westen und Süden überwiegend aus Blaufränkisch. Die Rotweinfläche macht hier 55 Prozent der gesamten Anbaufläche aus. Das Anbaugebiet Burgenland ist in vier DAC-Bereiche unterteilt. DAC steht für Districtus Austriae Controllatus, die österreichische Bezeichnung für einen gebietstypischen und herkunftskontrollierten Qualitätswein. So steht die Neusiedlersee DAC vor allem für die fruchtigen und harmonischen Rotweine der Sorte Zweigelt, die es auch mit der Zusatzbezeichnung Reserve gibt. 

Dass in Österreich Rotweine von nahezu mediterranem Niveau entstehen, ist zum großen Teil dem Qualitätsbewusstsein, der perfekten Weinbereitung, rigiden Ertragsbegrenzungen und dem Vertrauen der österreichischen Winzer in ihre heimischen Rebsorten zu verdanken. Die junge Winzergeneration ist weltoffen, hervorragend ausgebildet und zukunftsorientiert. Wo früher viele kleine bäuerliche Betriebe auf Flächen von unter einem Hektar Wein anbauten, gibt es inzwischen sehr viel weniger, aber dafür weitaus größere und weltweit renommierte Erzeuger. Der österreichische Weinanbau ist hoch professionell, innovativ und international wettbewerbsfähig geworden. Die heute 20- bis 30-jährigen Winzer – und immer mehr Winzerinnen – führen zumeist die elterlichen Betriebe weiter. Nachdem die Eltern die erste Aufbauarbeit geleistet haben, geht es nun darum, weltweite Märkte zu erobern, das Marketing zu optimieren und noch bessere Weine zu machen.

Die österreichische Weinszene ist dynamisch und lebendig. Und österreichischer Wein liegt im In- und Ausland voll im Trend. Die jungen Winzerinnen und Winzer sorgen für Innovation – vor allem auch bei den Rotweinen. So findet zum Beispiel eine kleine Gruppe junger Spitzenwinzer aus dem Burgenland seit den 1990er Jahren immer mehr Beachtung. Als Vermarktungsgemeinschaft „Pannobile“ produzieren sie neben außerordentlichen Weißweinen auch hervorragende Rotweine. Einmal pro Jahr darf jeder der neun Betriebe einen roten Wein als Kandidaten für den roten Pannobile ins Rennen schicken. Die Frage, ob es ein Pannobile ist, beantwortet die Gruppe gemeinsam in einer alles entscheidenden Verkostung. So entsteht Jahr für Jahr eine breitgefächerte Palette von Rotweinen, erkennbar aus derselben Familie stammend, aber mit höchst individuellen Persönlichkeiten.

Doch nicht nur im Burgenland werden Spitzen-Rotweine kreiert. Auch Winzer in den Anbaugebieten der Weststeiermark und in Teilen Niederösterreichs machen sich hier zunehmend einen Namen. Im Weinviertel vor den Toren Wiens zum Beispiel produziert Roman Josef Pfaffl Rotweine auf Weltniveau – was ihm von der Presse unter anderem die Würdigung „Rotweincrack im Weißweinland“ einbrachte. Zu den Premium-Rotweinen der Pfaffls gehören die Rotwein-Cuvée Wien.2 (Blauer Zweigelt, Cabernet Sauvignon) und ein reinsortiger Rotwein aus Pinot Noir.