image

In Neuseeland – 2 Hawke’s Bay

Das Neuseeland-Tagebuch – Teil 2

Veröffentlicht am 09. März 2015
Die am weitesten entfernte Weinanbauregion von Hamburg aus dürfte in Central Otago auf der Südinsel Neuseelands liegen. Obwohl Neuseeland so weit entfernt liegt, ist es dennoch kein exotisches Weinland. Die klassischen europäischen Sorten spielen hier die größte Rolle. Weltbekannt geworden ist das Land dabei mit einem ganz eigenen Sauvignon Blanc-Stil. Doch Neuseeland hat viel mehr zu bieten: fruchtbetonte Pinot Noirs, elegante Chardonnays und eigenständige Rieslinge und Grauburgunder. Die kommenden zwei Wochen stehen ganz im Zeichen dieses noch jungen Weinlandes und ich bin mir sicher, es stehen einige Entdeckungen an.

Hawke’s Bay

Mit einer kleinen, zweimotorigen Turboprop geht es von Auckland auf die andere Seite der Nordinsel nach Napier. Der Ort ist die Hauptstadt der Region Hawke’s Bay. Die Bucht ist mit 4.850 Hektar Weinbergen die zweitgrößte Weinbauregion des Landes. Gleichzeitig ist sie die älteste, denn hier entstanden schon Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Weinberge. Prohibitionsverordnungen, wie sie den amerikanischen nicht unähnlich waren, haben eine weitere Entwicklung des Weinbaus verhindert, sodass es erst in den späten 1970er-Jahren wirklich weiterging. Bis dahin hatte sich das Gebiet längst als Börde und Obstgarten des Landes etabliert. Die meisten Äpfel und Kiwis, die seit Jahrzehnten auch bei uns zu kaufen sind, stammen aus der Bucht.


Wenn man schnell von einem zum nächsten Weinanbaugebiet unterwegs sein will,
dann am Besten mit den zweimotorigen Bombardiers von Air New Zealand.
Foto: Copyright C.Raffelt

Napier, Zentrum des Gebiets

Die Maschine von Air New Zealand überfliegt einen Großteil der Weinberge, immer am Küstensaum des Pazifik entlang, bevor sie auf dem Regionalflughafen landet, wo man innerhalb von fünf Minuten nicht nur das Flugzeug verlassen kann, sondern auch schon das Gepäck in Händen hält und das Taxi in die Innenstadt besteigt. Der 56.000-Einwohner-Ort Napier und das in direkter Nachbarschaft liegende Hastings wurde 1931 Opfer eines schweren Erdbebens, bei dem der Boden um 2,7 Meter angehoben und die Stadt völlig zerstört wurde. Trotz der damals herrschenden Weltwirtschaftskrise wurde Napier wieder aufgebaut – und zwar im damals noch beliebten Art-Deco-Stil. Kurz bevor ich den Ort erreicht habe, fand das alljährliche Art-Deco-Festival statt, bei dem die ganze Region anwesend ist und sich in entsprechende Kostüme kleidet. Eine größere Anzahl von Oldtimern auf jener Zeit zeugte noch von dem Fest.


Das Mansonic Hotel im Art-Deco-Stil von Napier. Foto: Copyright C.Raffelt

Das Klima und die besonderen Böden in der Bucht rund um Napier

Das Klima – der durchschnittliche Niederschlag liegt bei 803 mm – und die hohe Anzahl an Sonnenstunden – 2188 im Durchschnitt – führen zusammen mit der Qualität der Böden für fast ideale Bedingungen zum Anbau von Obst. Mit der Renaissance des Weinbaus in der Region ab den 1980er-Jahren hat man die ersten neuen Weinberge dann auch dort angelegt, wo vorher Obstbäume mit guten Erträgen standen. Es hat einige Jahre gedauert, bis klar wurde, dass Weinreben andere Voraussetzungen benötigen als Kiwi und Birnen. Während diese durchaus fette und ertragreiche Böden bevorzugen, liebt der Rebstock eher den kargen Boden. Die Suche nach diesen Böden jedoch war erfolgreich, denn in Hawke’s Bay wechseln die Bodenschichten schnell, was vor allem daran liegt, dass in ganz Neuseeland vulkanische Tätigkeiten immer wieder die Bodenstrukturen verändert haben. Heute haben sich vor allem drei Unterregionen etabliert.


Elephant Hill. Links: Blick aus den Weingärten auf das bekannte Weingut und den dahinterliegenden Pazifik.
Rechts: Terrasse des Restaurants von Elephant Hill, direkt an den Rebstöcken.
Foto: Copyright C.Raffelt

Drei Unterregionen prägen den Stil der Weine

Die sogenannten Costal Areas beginnen nur wenigen Meter hinter dem Pazifikstrand und haben den größten direkten maritimen Einfluss. Die kiesigen Weingärten von Bay View im Norden und die Sedimentböden von Te Awanga im Süden sind hervorragend geeignet für früh reifende rote Sorten, Sauvignon Blanc und Chardonnay. Die Hillsides im Hinterland von Hawke’s Bay werden eigentlich gerade erst entdeckt, denn Weinbau fand hier von Beginn vor allem im Flachland statt. In den Hillsides findet sich mehr Kalk im Boden und das Klima ist kühler, sodass es hier erste exzellente Ergebnisse mit Chardonnay und Pinot Noir gibt. Berühmt jedoch sind die alluvialen Schwemmlandböden des Bridge Pa Triangle und der Gimblett Gravels. Die Böden dieser beiden Bereiche ähneln mit ihren Kiesschichten durchaus jenen im Bordelaiser Médoc. Dabei sind die Gebiete erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, als ein Hochwasser den Flusslauf zwei größerer Flüsse verändert hat, um einen extrem kargen, kiesigen Boden zu hinterlassen, auf dem man Jahrzehnte lang nur Schafherden fand, einen Truppenübungsplatz und eine Müllhalde.


Der Deutsche Roger Weiss hat den Anspruch, mit dem 2001 gegründeten Weingut Elephant Hill die Spitze zu erreichen.
Mit dem gutseigenen, gerade preisgekrönten Restaurant hat er das schon geschafft.

Bordeaux-Cuvée, Chardonnay und Syrah

Auf dem Gimblett Gravels wachsen heute die besten Weine der Region und so tragen viele der Weine heute auch den Namen dieser Subappellation auf dem Etikett. Vor allem die klassischen Bordeaux-Cuvée aus Cabernet, Merlot, Petit Verdot und Malbec sind international höchst gefragt. Doch mich haben vor allem zwei andere, sortenreine Weine in diesem Gebiet stark begeistert. Der Chardonnay wird hier mit meist nur wenig, bis gar keinem Holzeinfluss ausgebaut, ist enorm frisch und trägt immer eine feine Grapefruit-Note mit sich. Der Syrah, gerade mal auf bisher knapp 300 Hektar angebaut, ist für mich einer der interessantesten Weine, die Neuseeland heute zu bieten hat. Er begeistert neben seiner Frische vor allem mit einer ganz eigenen Gewürznote und viel weißem Pfeffer.


Vom Trinitiy Hill geht der Blick über die Gimblett Gravels und die im Hintergrund liegenden Berge.
Foto: Copyright C.Raffelt

Bei Sileni

In Hawke’s Bay hat auch Sileni seinen Sitz. Sileni, dessen Gründer Graeme S. Avery vor fast zwanzig Jahren seinen florierenden Fachverlag für Medizinprodukte veräußert hat, hat damals mit Grant Edmonts den richtigen Griff getan. Im Prinzip war Graeme einfach nur Weinliebhaber und hat seine Weine bei Esk Valley gekauft, wo Grant beschäftigt war. Als Graeme Avery ihn damals fragte, ob er jemanden kennen würde, der mit ihm Sileni aufbauen würde, hat Grant den Finger gehoben und über mittlerweile anderthalb Jahrzehnte den Stil des Hauses geprägt. Grant gehörte zu den Ersten, die die Böden des Gebiets Bridge Pa Triangle genauestens analysiert haben, um jeweils die richtigen Rebsorten auszuwählen. Mit Erfolg, denn die Weine von Sileni sind höchst erfolgreich und wurden gerade von Neuseelands wichtigsten Kritiker Michael Cooper wieder bestens bewertet.


Ein halber Tag bei den höchst sympathischen Menschen von unserem langjährigen Partner Sileni.
Links der Senior Winemaker Cairn Coghill, rechts der Chief Winemaker Grant Edmonts.
Foto: Copyright C.Raffelt

Fazit

Hawke’s Bay ist, wie der gesamte neuseeländische Weinbau, eine höchst dynamische Region, in der jeder Weinmacher weiß, dass er erst am Anfang steht, denn der Weinbau ist letztlich erst 30 Jahre alt. Immer noch gilt es, die richtigen Böden mit den richtigen Rebsorten und Klonen zu verbinden; die Rebstöcke müssen sich tief in die Erde graben, um all das in die Trauben zu bringen, was den jeweils typischen Boden ausmacht. Und während hier noch Pionierarbeit geleistet wird, entstehen bereits große Weine, die hohen regionaltypischen Charakter haben.

Für mich geht es im nächsten Teil weiter nach Wellington und dort ins Hinterland, nach Martinborough.



Die Reise erfolgt auf Einladung von New Zealand Wines.

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Winzer der Champagne und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet.