Heute ist Matthew Sutherland, der Sohn eines der Gründerpaare, als Winemaker verantwortlich für den Stil der Weine. Die Linie ist ganz klar. Es gibt genau vier Weine. Grundlage des Erfolgs ist der klassische Dog Point Sauvignon Blanc. Mit tropischer Frucht, Melone, Zitrus und Lemongrass ist er der typische Sauvignon-Blanc-Vertreter des Marlborough-Sauvignons, der am Wairau-River und etwas südlich wächst. Der Sauvignon Blanc Section 94 stammt aus einer besonderen Weinbergsparzelle und hat stilistisch mit dem typischen Marlborough-Sauvignon Blanc nicht viel zu tun. Im Gegensatz zu jenem nämlich wird er spontan vergoren und dann im Holz ausgebaut. Der Wein erinnert an reife Grapefruit, an weißen Pfirsich, an Blüten, Josta, Feuerstein, Brennnessel und Limettenschale. Am Gaumen spürt man die kalkig-kreidige Mineralität und hat ein cremiges Mundgefühl aufgrund des Ausbaus im alten Holz. Die Länge und Komplexität dieses Sauvignons sind absolut beeindruckend.
Das gilt auch für den Dog Point Chardonnay des Weinguts, der in den Hanglagen wächst. Hier wird hauptsächlich der kleinbeerige, säurereiche Mendoza-Klon verwendet, der genau die Struktur schafft, damit der Chardonnay in dem heißen Anbaugebiet die notwendige Säure behält. Auch hier wird spontan vergoren, was zu einer Flint-Feuerstein-Nase führt, die von Grapefruit- und Limonenzesten unterstrichen und leicht toastige Holznoten abgerundet wird. Wunderbar gelungen ist das zurückhaltende Holz-Management, die Balance am Gaumen, das Vibrierend-Frische und die cremige Textur. Der Dog Point Pinot Noir rundet das Angebot ab und ist ein hervorragendes Beispiel für die besondere Typizität der Marlborough-Pinots. Der Wein erhält seine Struktur durch den 18-monatigen Ausbau in neuen und gebrauchten französischen Barriques. Das Holz ist nie dominant, sondern immer nur unterstützend. Im Vordergrund stehen die rote Frucht, die Veilchen, etwas Kräuter und Gewürze, das fleischige Tannin und auch hier die herrliche Säure, die den Wein trägt. Die Trauben für den Pinot sind mit die ersten, die überhaupt geerntet werden –zwei bis drei Wochen, bevor in anderen Anbaugebieten der Pinot geerntet wird.
Inmitten der biologisch bewirtschafteten Flächen und dem Landschaftspark, den die Sutherlands errichtet haben, liegt das Gästehaus des Weinguts, The Bell Tower. Der Ort gehört zu jener ganzen Reihe von Orten auf meiner Reise, an denen ich liebend gerne einige Tage länger verweilt wäre. Ohne Termine versteht sich. Einfach nur den Blick über die Landschaft gleiten lassen, das hervorragende Frühstück und die Ruhe genießend und hier und da einen Ausflug in die Weinberge, zu einem der exzellenten Restaurants oder zum nahegelegenen Pazifik machen. Doch es geht weiter, der Weinschreiber ist schließlich kaum zum Vergnügen hier, auch wenn die Reise durch das spätsommerliche Neuseeland natürlich jederzeit ein Vergnügen darstellt und selbst an den längsten Tagen so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommt, sobald ich an die Daheimgebliebenen denke, die im kalten Ostwind bei knapp über null Grad frieren.