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Sancerre und Pouilly-Fumé

Zwischen Feuerstein und Cassis.

Veröffentlicht am 22. Februar 2014

Sancerre und Pouilly-Fumé – Heimat des Sauvignon Blanc

Vom Gamay zum Sauvignon Blanc
Hätte man vor gut hundertfünfzig Jahren das obere Loiretal bereist, wäre man rund um die historischen Weinorte Sancerre und Pouilly-sur-Loire auf ganz andere Rebsorten in den Weinbergen gestoßen. Damals dominierten Gamay und Pinot Noir die sanft geschwungenen Hügel an den Ufern des bedeutenden Flusses. Derweil spielt der Gamay in diesen Breiten kaum noch eine Rolle, während der Pinot auch heute noch fruchtbetonte und duftige Rosé und Rotweine hervorbringt. Bekannt, ja berühmt geworden sind die Orte jedoch ganz eindeutig mit der weißen Rebsorte Sauvignon Blanc. Die Popularität, die in den Siebzigern eingesetzt hat, ist bis heute ungebrochen. Das hat die beiden kleinen Gebiete hochpreisig werden lassen, denn die Nachfrage übersteigt meist das Angebot.

Weißwein

Die Aromarebsorte, die zu den Cépage Noble, zu den edlen Rebsorten der Welt gezählt wird, liefert in diesem Gebiet geradezu den Archetyp des französischen, fruchtbetonten und meist jung zu trinkenden Sauvignons. Er wirkt aufgrund der klimatischen und geologischen Bedingungen in seinem gesamten Aromenspektrum eher kühl und grün und hat einen völlig anderen Charakter als der Neue-Welt-Stil, wie er vor allem durch den neuseeländischen Anbau seit dem Ende der Achtziger geprägt wird. Sancerre und Pouilly werden sowohl vom atlantischen als auch vom kontinentalen Klima beeinflusst, es ist dort vergleichsweise kühl und feucht, was sehr viel Sorgfalt in den Weingärten voraussetzt. Wird der Ertrag an den Stöcken zu hoch und der Sauvignon zu früh gelesen, schmeckt der Wein nach frisch geschnittenem Gras und grüner Paprika. Diese grünen Noten, die der Sorte ohnehin zu eigen sind, schlagen dann schnell in Bitterkeit um und die grüne Note, in der Chemie Pyrazin genannt, wird penetrant und unangenehm. Wird der Sauvignon Blanc jedoch zur richtigen Zeit geerntet, zeigt er seine ganzen Vorzüge. Die grünen Noten mit der leichten Bitternote wirken in Verbindung mit der Säurestruktur und der deutlich vorhandenen Mineralität erfrischend und verbinden sich mit den Aromen von Stachelbeeren und Cassis.

Terroir prägt den Charakter

In den Weingärten rund um das Örtchen Sancerre wechseln sich drei unterschiedliche Bodenformationen ab, die deutlich den Charakter des Weines prägen, vor allem, wenn sie nach Einzellagen ausgebaut werden. Ganz im Westen überwiegen tonhaltige Kalkmergelböden – hier entstehen die kräftigsten Weine, die gerne auch im Holzfass ausgebaut werden und einen burgundischen Charakter bekommen. Zwischen dem westlichen Bereich und den Hängen des Ortes finden sich Schotter und Kalkstein, wie er auch im nicht weit entfernten Chablis und in der Champagne zu finden ist. In diesem Bereich entstehen ausgesprochen subtile Weine, während die direkten Ortslagen vom gleichen Feuerstein geprägt werden wie die Bereiche um Pouilly-sur-Loire. Es ist der Duft von abgebranntem Zündholz, der hier die Weine prägt und auch zum Namen des Gebietes geführt hat, denn Fumé steht für diesen Flint- und Feuersteingeruch. Rund um Pouilly sind die Hügel sanfter, das Gebiet ist kleiner und rarer und was hier teils im Holzfass ausgebaut wird, gehört oft mit zu den großen Sauvignon Blancs Frankreichs.

Crottin de Chavignol – der perfekte Partner zum Sancerre

Unweit von Sancerre liegt die kleine Ortschaft Chavignol inmitten der Sauvignon-Weinberge. Auch wenn der Ort Trauben für den Sancerre liefert, ist der doch für eine ganz andere Spezialität weltberühmt. Es ist der Ziegenkäse namens Crotin, der hier eine lange Tradition hat. Der Ziegenkäse ist klein, rund und fest und verfügt über einen Fettgehalt von mindestens 45 %. Die Reifezeit beträgt mindestens 10 Tage, häufig jedoch zwei bis vier Wochen. In seiner Jugend ist dies der perfekte Begleiter zu frischem Sancerre, während der gelb anlaufende, gereifte Crotin mit älterem, im Holzfass ausgebautem Sauvignon harmoniert. Ferner passen fast alle Gerichte von hellem Fleisch mit hellen Fonds und Kräutersaucen zu Sancerre oder Pouilly-Fumé. Ebenso passen Edelfisch und Langusten und vor allem Muscheln; Gerichte, die geschmacklich mit Senf, Kapern oder Zitrone abgerundet werden können.


Ziegenkäse namens Crottin de Chavignol entsteht nicht nur im Gebiet Sancerre, er passt auch exzellent zum Sauvignon Blanc.
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Die Ursprünge des Sauvignon Blanc

Schaut man in die Geschichte, so wird die Sorte unter ihrem historischen Synonym Fiers erstmals 1534 beim französischen Dichter Francois Rabelais erwähnt und an der Loire verortet. Im 17. und 18. Jahrhundert wird sie sowohl dort als auch im Bordelais angebaut. Als Muscat-Sylvaner findet sie außerdem in einem Pachtvertrag zwischen dem Kloster St. Gallen und der Markgräfler Gemeinde Pfaffenweiler Erwähnung (1692). Man ist sich bis heute nicht schlüssig, wer die Eltern dieser Sorte sind und ob der ebenfalls von der Loire stammende Chenin Blanc zu den Eltern oder zu den Geschwistern gerechnet wird. Die expressive Aromatik lässt den Schluss zu, dass eine Aroma-Rebsorte wie Muscat oder Traminer zum Stammbaum gehört. Sicher ist man sich jedoch, dass der weiße Sauvignon Blanc zusammen mit dem noch älteren Cabernet Franc das Elternpaar des berühmten Cabernet Sauvignon bildet – so wie der Name es auch schon vermuten lässt.

Christoph Raffelt

Christoph lehrt als Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg. Er schreibt und podcastet bereits seit mehr als acht Jahren in seinem privaten Blog originalverkorkt.de und verfasst Weinkritiken und Artikel für verschiedene weitere Medien. Für seine Reihe über die Winzer der Champagne und unabhängigen Häuser wurde er 2014 mit dem Wine Online Award für den besten Weintext des Jahres ausgezeichnet